Last Ride

Dave hatte mich eine Nacht lang beherbergt. Er ist der Elektriker des Bayview Chateaus im Tongariro National Parks und nahm mich von Taumaranui mit nach Whakapapa Village. Danach beherbergte mich Terence für ein paar Tage in Taupo. Und dann beherbergte mich Jo, auf meiner letzten Fahrt, die mich wieder nach Auckland führen sollte. Obwohl mein Flug am nächsten Morgen ging, kam es mir unwirklich vor. Ich schwebte irgendwo zwischen Melancholie und dem Zwang, jeden Moment noch auszukosten. Jo hatte mich irgendwo kurz hinter Rotorua aufgegabelt. Sie war Elektrikerin und kam gerade von einem langen Skiwochenende. Doch als sie erfuhr, dass sie meine allerletzte Mitfahrgelegenheit war, warf sie all ihre Skiunfallgeschichten über Bord und fragte mich nach meinen Abenteuern. Und so kam es, dass ich dieser fremden Frau meine komplette Neuseelandreise erzählte. Von den höchsten Glücksmomenten bis hin zum tiefen Fall. Von Freiheit und Liebe.

Von Freundschaft und Trennungen. Von meiner Angst, Neuseeland zu verlassen und heimzukehren. Und Jo hörte einfach nur zu. Sie spielte die Rolle der Freundin, die ich gerade brauchte. Und dann, als die Straße vor Auckland immer befahrener wurde und schließlich in den Motorway verlief, griff sie zu ihrem Handy. Sie wollte mich noch auf eine letzte Nacht einladen, in ein Kiwihaus, in deren Herzen. Aber sie konnte keine Fahrt für mich organisieren, die mich frühmorgens zum Flughafen bringen konnte. Also brachte sie mich zum Flughafen. Ich war so gerührt von ihren Bemühungen, dass ich auch noch anfing, vor ihr meine Tränen zu vergießen. Denn die Kiwis beherrschen eine Kunst, die selten geworden ist: Sie bieten einem etwas an, ohne zu bedrängen.

Als ich am Flughafen mein Gepäck aus Jos weißem Van holte, holte sie einen Kalender aus ihrem Handschuhfach. Es war ein Kalender für 2012, von ihrer Elektrikerfirma und mit 12 Fotos von den schönsten Orten Neuseelands. Auf die Januar-Seite kritzelte sie: „Last Ride. Jo. XX“ und drückte mir das Heftchen in meine freie Hand. Dann verabschiedeten wir uns, wie wenn wir uns schon Jahre kennen würden. Sie drückte mich fest, drückte die ganze Stärke in mich rein, die ich brauchen würde, um das Flugzeug zu betreten. Als sie mit ihrem Auto hupend im Flughafenverkehr verschwand und ich ihr nachwinkte, wurde es mir klar: ich hatte es geschafft. Ich hatte Neuseeland betrampt. Und war sogar mit dieser Reiseweise bis zum Flughafen gekommen. Und ich werde zurück kommen. Nicht wieder dort hin. Nein, ich werde zurück  kommen.