Hommage an Rani

Rani und ich. Diese drei Worte, zusammengehängt wie eine Kette, tauchen in jedem Artikel auf, ohne dass der Leser weiß, wer sie darstellt, wer dahinter steckt. Wäre ich allein unterwegs gewesen, wäre ich nur „ich“, so wäre es einfacher: erstens könnte sich der Leser vielleicht mit mir identifizieren – also bräuchte es wenig Beschreibung. Oder eine knappe Vorstellung in wenigen Worten zu meiner Person wäre genügsam und schon wäre der Leser im Bilde. Nun sind wir aber zwei. Zwei Freundinnen, die durch Neuseeland trampen. Und während der Leser die Geschichten unserer ersten Wochen kennt, während wir 3 Tage lang im Zelt eingesperrt sind, während mein Kinderkassettenrekorder (ich hab ja gesagt, dass er uns noch sehr nützlich sein wird!) gegen den Wind, der um das Zelt heult, anschallt, will ich mir die Zeit nehmen, von uns, Rani und mir, zu erzählen:

Einander bekannt sind wir schon lange. Unsere Eltern haben sich kennengelernt, da waren wir noch Kinder um die 9 Jahre alt. Ich bin von ihrem Pony Bobby (Danke, Rani, dass du ihn rennend hinter dir hergezogen hast, dass ich mich nicht halten konnte) und aus ihrer Hängematte gefallen, bin im Sommer mit ihr um die Wette getaucht (als Rache für den Pferdeunfall hab ich sie gezwungen, die quietschgelbe Tauchermaske mit Zinken nach Neuseeland mitzunehmen) und hab im Winter die selbstgebackenen Lebkuchen ihrer Mama geliebt.

Dann kamen wir in dieselbe Klasse und blieben zusammen, bis wir verschiedene Kurse belegten. Während ich all die Jahre versuchte, cool zu sein, war Rani eigentlich die coolere von uns – weil sie sich selbst treu blieb in ihren weiten Pferde T-Shirts, nicht heimlich rauchen ging, nicht am unsinnigen Donnerstag gegen den Klassenlehrer rebellierte, nicht cool tat, um cool zu sein.
Je älter wir wurden, desto mehr kamen wir wieder in Kontakt. Sie hatte sich mittlerweile von ihren Pferde T-Shirts wegentwickelt, ich mich von meinen pubertierenden Phasen. Wir hatten denselben Freundeskreis, gleiche Interessen, ähnliche Geschichten.

Dass wir gemeinsam nach Neuseeland fliegen würden, ergab sich in einer Freistunde. Wir saßen bei einer heißen Tasse Tee in der Mensa und grübelten, was uns nach dem Abi bevorstehen würde. Ich meinte, ich fliege nach Neuseeland, das stehe für mich fest, sie sagte, sie würde gerne die skandinavischen Länder bereisen, aber die seien zu teuer. Komm doch mit nach Neuseeland, schlug ich vor – okay, willigte Rani ein. Und so war es fix.
Bevor es losging, bekamen wir uns kaum zu Gesicht. Rani arbeitete, ich tourte durch Europa. Zwischendrin hektische Anrufe: „Hast du dein Visum schon?“, „Wann buchen wir den Flug?“, „ Wann sollen wir überhaupt fliegen?“… Doch wir bekamen es gebacken und so saßen wir am 2. November in Frankfurt am Flughafen und beobachteten durch das Fenster die schwebenden, bunten Lichter, die auch uns bald davontragen würden.

Wir hatten keine Erwartungen. Nicht an den Ablauf der Reise, nicht an das Ziel, nicht von einander. Und hier fängt meine Lobhymne an:

Mit keiner anderen Freundin hätte ich so auf Neuseelands Straßen herumziehen können wie mit ihr. Ich führte sie in die Welt des Trampens ein. Denn so war ich in Europa herumgetourt und so wollte ich Neuseeland bereisen. Rani ging sofort darin auf. Mit ihrer unkomplizierten, fröhlichen Art nahm sie meine Reiseart und ich ihre Leichtigkeit an. Wir waren ausgeglichen, aufeinander eingestellt, dennoch unabhängig voneinander. Wir waren eins.  Und somit macht es nichts, dass es ständig „Rani und ich“ heißt, denn im Grunde genommen verschmolzen wir zu einem Pusteblumensamen, der sich vom Wind durch Neuseeland tragen ließ.

Ich bin ein sehr anpassungsfähiger Mensch, ich gebe mich gern der Stimmung hin, die um mich herrscht, ohne auf meine Person zu achten. Ich ordne mich eine Situation unter und gebe mich dadurch manchmal selbst auf. In Ranis Nähe schien aber alles immer so leicht zu sein. Leicht und unbeschwert. Dinge, über die ich mir sonst meinen Kopf zerbrach, flossen unbeachtet an mir vorbei. Von meinen Schultern war Last genommen, es schien viel mehr möglich zu sein. Sie hat dieselbe wache Art, herumzustreunen, alles um sie herum mit allen Sinnen aufzunehmen und dann darüber zu schwadronieren wie ich. 20 Zehen spüren mehr als 10, 4 Augen sehen mehr als zwei, und zwei Nasen riechen mehr als eine – so hatten wir unsere größte Freude, auf Entdeckungstouren zu gehen, zu beobachten, darüber zu philosophieren, assoziieren, vergleichen.
Ich traue es mich kaum, niederzuschreiben, aber es war vollkommen. Ich fühlte mich absolut glücklich – und Rani trug einen großen Teil dazu bei.

Nein, mit keiner anderen Freundin hätte ich so auf Neuseelands Straßen herumziehen können wie mit ihr.