Schweinebraten ist besser als Suppe

Unser Held Levi war Grundschullehrer und setzte uns am nächsten Tag auf dem Weg zu seinen kiddies frühmorgens in der Nähe des Motorways ab. Der Motorway in Neuseeland ist vergleichbar mit der Autobahn in Deutschland: mehrspurig und monströs. In Neuseeland jedoch führt er nur aus und in große Städte, bevor er nach ein paar Kilometern zum Highway wird. Der Highway ist vergleichbar mit einer deutschen Landstraße: unbefahren und ungerade.
Wir standen also auf einem Fleckchen Teer neben einer Ausfahrt des Motorways. Den Norden hatten wir kennengelernt.

Ab jetzt hieß unsere Richtung: Süden. Ein Pick-Up hielt auf dem engen Seitenstreifen. Autos hinter ihm schimpften hupend. Der Fahrer meinte, er fahre nicht weit, könnte uns aber wenigstens aus den Vororten bringen. Er hatte einen Hut und einen Hund. Ich bewunderte ihn um ersteres: er trug den Aufdruck einer neuseeländischen Biermarke. „Wenn man genügend trinkt, bekommt man den gratis.“, erklärte uns der Alte und seine Backen formten sich zu glatten, roten Äpfel, als er sie zu einem Lachen hochzog. Dann setzte er uns ab. An einem Werbungsschild der Biermarke seines Vertrauens.

Wir waren immer noch am Motorway. Autos flitzten an zwei Spuren an uns vorbei. Die breite Straße verlief schnurgerade: Man konnte in die Vergangenheit und in die Zukunft blicken. Autos auftauchen und wieder verschwinden sehen. Zuerst erkannte man nur ein dunkles Flimmern über dem Teer, das immer schneller und größer Gestalt annahm. Mit einem durchdringendem „vrrom“ sausten die Wagen dann an uns vorbei und löste sich nach einer hundertstel Sekunde wieder in Flackern auf. Nach dem vierhundertsechzehnten „vrrom“ dann endlich ein „quiietsch“: eine Auto hatte uns in seiner Eile nicht übersehen und war stehengeblieben. Der Fahrer hatte eine Glatze und einen Hund. Ich bewunderte ihn um keines von beiden. Der Hund sabberte auf meinen Schoß. Der junge Bursch konnte uns nach kurzer Fahrt auf einer abzweigenden Ausfahrt absetzen – und schon standen wir wieder auf dem Highway. Dort fühlten wir uns wieder wohl, wenn die Autos gemütlich wie Packesel an uns vorbeizogen. Der erste Esel hielt sogleich und trug zwei ältere Ladies und eine Alkoholfahne mit sich. Er brachte uns über die Berge ans Meer. Nach Thames.

Dort angekommen pausierten wir erst einmal. Wir waren immer noch erschöpft und enttäuscht, dass uns Grace sitzen gelassen hatte. Ich hatte Bauchweh von dem vielen Koffein und es fing auch noch zu regnen an. Völlig kaputt saßen wir unter dem Vordach eines asiatischen Restaurants. Trotz unseres immer noch andauernden entscheidungsunfähigen Zustands wusste ich nur eines: ich wollte Suppe.

Das Restaurant hinter mir aber hatte seine Tore geschlossen. Ich drehte mich also wieder zur Straße (ich hatte angefangen, die Schaufenster mit bösen Blicken durchbrechen zu wollen) und zuckte zusammen. Da stand ein Schrank vor mir. Und sie fragte mit unverkennbarem deutschen Akzent: „Ver a ju fromm?“ In solchen Situationen werde ich immer etwas verwirrt: Soll ich Deutsch oder Englisch antworten? Einerseits bin ich nicht ans andere Ende der Welt gereist, um mich mit meinen Landsmännern zu unterhalten. Andererseits ist es etwas peinlich den anderen und sich selbst Englisch sprechen zu hören, wenn doch beide wissen, dass es mit der Muttersprache auch gehen würde – und viel einfacher sogar. Außerdem nimmt man immer ein bisschen den Akzent seines Gegenübers an:

Wenn ich einen Amerikaner vor mir habe, verwende ich für jedes Adjektiv das Anhängsel „super“: supercheap. supercool. superanything. Auch hänge ich vor jedes super + Adjektiv ein „oh my god“ – so wie die es eben auch machen.
Habe ich einen Briten als Gesprächspartner, wird jedes Wort exakt so ausgesprochen, wie es im Wörterbuch geschrieben steht – so entstehen keine Missverständnisse; jedenfalls nicht unter Briten. Und nebenbei trinkt man bestenfalls noch eine „ cup of tea“.

Und bei den Kiwis: „Gis´ anutha cuppa – cheers mate.“

Wie dem auch sei – ich entschied mich dafür, auf Deutsch zu antworten, was mein Gegenüber umso mehr freute: Sabine ist seit 5 Jahren in Neuseeland, freut sich immer so über den Klang ihrer Muttersprache und lud Rani und mich gleich zum Schweinsbraten und Knödel Essen zu sich nach Hause ein.

Wir können kommen, wann immer wir Lust haben, sagte die große Sabine und drückte mir ihre Telefonnummer in die Hand.

Kurz später standen Rani und ich wieder am Straßenrand: Wir hatten beschlossen, wir haben Lust. Und Schweinebraten mit Knödel ist allemal besser als Suppe.