Warum ich Auckland nicht mag
Nach etwa einem Monat Tramperreise durch den Norden kehrten Rani und ich nach Auckland zurück.
Und seit etwa einer Woche hänge ich über diesem Satz. Bin blockiert und fühle mich unfähig dazu, ihn weiter zu führen und zu einem abgerundeten Artikel zu formen. Vielleicht liegt es daran, weil wir die Stadt von vorn herein nicht mochten, oder weil sie uns nach 4 Wochen Neuseeland noch schlimmer vorkam. Aber wir hatten uns mit Grace verabredet: sie wollte uns durch das Nachtleben zeigen, dass die Stadt doch etwas zu bieten hatte. Ein Maori, der aussah wie die Verbildlichung eines jeden Clubtürstehers, Vater von 11 Kindern und Gatte von 3 Frauen brachte uns vom Land in die Stadt. Während sein jüngster auf dem Vordersitz wie ein blonder Engel schlief erzählte uns der Vater Horrorgeschichten über das Trampen. Dabei blickte er aber die ganze Zeit liebevoll das schlafende Geschöpf neben sich an, fuhr sanft durch dessen Haare und summte uns die schaurigen Geschichten in honigsüßer Stimme vor, als würde er die Träume seines Sohnes mit einem soften Soundtrack untermalen wollen. Er setze uns an einer Tankstelle ab, warnte uns eindrücklich davor, bei Typen, die aussehen wir er und kein Kind bei sich führen, mitzufahren und schloss vorsichtig den Deckel des Kofferraumes, um den Schlaf seines Sohnes nicht zu unterbrechen. Dann verschluckte der Fluss von vorbeiziehenden Wagen auch seinen. Wir standen gegenüber der Bushaltestelle, an der alles angefangen hatte. Am liebsten hätten wir uns dort wieder hingestellt, als im Gewusel der Stadt unterzugehen.
Wir erledigten also mal wieder nur das nötigste und landeten dann im BurgerKing, um bei einem Kaffee auf Grace´s Anruf zu warten. Sie musste noch arbeiten und wollte uns Bescheid geben, sobald sie fertig war. Unsere Rucksäcke könnten wir dann bei ihr im Auto abstellen und übernachten könnten wir mit ihr bei einer Freundin. So war es gedacht und so warteten wir. Die Zeit verstrich ohne einen Anruf. Erreichen konnten wir sie nicht, so blieb uns nichts anderes als warten. Die ewige Warterei. Wir zapften mit unseren leeren Kaffeebechern Cola von der Getränkemaschine. Um uns Koffein ins Blut zu pumpen.
Um die Nacht zu überstehen. Es war dunkel draußen und unser Biorhythmus streikte, das Koffein wirklich anzunehmen. Das heißt, unser Herz und unser Gehirn tat es, der Rest des Körpers war hundemüde. In so einem Zustand der natürlichen Müdigkeit und des gezwungenen, koffeinbedingten Wachseins kommt man irgendwann zu einem Punkt, wo man total deppert wird: die Gedanken werden wirr, daraufhin folgt sinnloses Gebrabbel, man gibt unkontrolliert uneigentümliches Gestöhne über den Zustand von sich und kichert dabei über alles. Am meisten über sich selbst und seinen Zustand, über sein Gegenüber, der denselben Zustand hat und über die Situation, die von diesem Zustand bestimmt wird. So verstrichen die Stunden, die Getränkemaschine wurde von uns geleert, das Publikum wurde von Mal und Mal betrunkener und unsere Gehirne immer matschiger. Als um circa 2 Uhr nachts auf der Bank schräg gegenüber ein alter Indianer zu onanieren begann, befanden wir uns mitten in einer solcher Schauergeschichte vom Nachmittag. Aber Rani und ich befanden uns auch in einem total entscheidungsunfähigem Zustand – die Synapsen in unserem Hirn wabbelten, vom Koffein weich geworden, orientierungslos in der Gegen rum. Wir wollten schon einfach auf den roten Bänken des Fast Food Restaurants bleiben und uns einfach wegdenken, einfach abschalten.
Und dann kam Levi. Wie eine Engelserscheinung stand dieser sportliche, junge Mann plötzlich vor uns. Mit der linken Hand packte er meinen Rucksack, mit der rechten Ranis, sagte, dass hier sei kein Aufenthaltsort für Damen wie uns – wir bräuchten was besseres. Voller Elan schritt er mit unseren Rucksäcken voran, Rani und ich stolperten hinterher. Er brachte uns in seine WG, überließ uns sein Doppelbett und schlief selbst auf der Couch.
Von Grace hörten wir nie wieder etwas – dafür fanden wir in Levi einen neuen Freund.