Der Autokauf

Es war mittlerweile Januar. Die Silvesternacht hatten wir in Wellington verbracht. Bei Wind, Livemusik und Bier. Um 7 Uhr Morgens des Neujahrtages ging unsere Fähre auf die Südinsel. „Eine neue Insel ist wie eine neue Reise“, sagte Rani aufgeregt. Wir schliefen die ganze Fahrt über.

Man hatte uns für die Südinsel ein eigenes Auto ans Herz gelegt.
„Dort ist so wenig Verkehr, da kommt ihr ohne das eigene Fahrzeug nicht weit.“
„Der Autohandel hier in Neuseeland ist ein leichtes Spiel!“
„Man ist so viel freier in seinen Entscheidungen – man kann dorthin fahren, wo immer man hin will.“

Klar, dass all diese Sprüche von Kiwis kamen: Jeder von ihnen besaß mindestens zwei Autos. Sie waren genauso daran gebunden wir daran gewöhnt.
Also hieß unsere neue Mission „Autokauf“. In Picton hatten wir damit schon mal Pech. Aber insofern Glück, weil wir drei neue Bekanntschaften machten. Niv, Dor und Amir – ein Name klangvoller, ein Jüngling schöner als der andere. Sie kamen aus Israel und hatten ihren Autokauf schon hinter sich. Drei Viertel des Gepäcks in ihrem dunkelblauen Familientoyota bestand aus Töpfen, Tupperwaren und Toastpackungen. Ihre Leidenschaft galt neben dem Wandern, dem sich-gegenseitig-laut-aus-ihrem-gemeinsamen-Lieblingsbuch-Vorlesen und dem lautstarken Diskutieren, dem Essen: Dreimal täglich wurde aufgekocht. Dieser Akt wurde schon fast zelebriert. Feierlich wurden die Utensilien aus dem Kofferraum gesucht, Töpfe klapperten, Tupperdosen schnalzten, wenn sie geöffnet wurden, die Zellophanverpackung des Toast raschelte appetitanregend. Mehl, Zucker, Milch… alles, was jeder Haushalt braucht, hatten sie irgendwo im Auto verstaut. Sie hatten orientalische Gewürze dabei – von Israel selbst importiert. Nach jeder Mahlzeit gab es frischen Kaffee – aus Israel eigens hergeflogen. Und zu diesem frisch gebrühten Kaffee: das Geheimnis des Timtams. Timtams sind Schokoladenkekse, etwa so groß wie eine Streichholzschachtel. Sie bestehen aus einer Schokoladencremefüllung zwischen zwei knusprigen Keksen, umhüllt von zarter Schokolade. Man knabbert diagonal in zwei Ecken (also zum Beispiel links unten und rechts oben) einen kleinen Bissen hinein, tunkt das eine offene Ende in den Kaffee und schlürft durch das andere Ende wie mit einem Strohhalm das heiße Getränk hindurch. Sobald der Kaffee den Mund erreicht, stopft man sich den ganzen Keks in den Mund. Dieser schmilzt dann im Mund zusammen wie Zuckerwatte, überall bis in den letzten Winkel der Zunge schmeckt es schokoladig… ein wahrhaftiger Genuss für Schokoladenliebhaber. Schon bei dem Gedanken daran, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Schade, dass es Timtams (noch) nicht in Deutschland gibt…

Nachdem weder in Picton, noch in Nelson in Sachen Autokauf etwas voranging, nahmen uns die drei schließlich mit nach Christchurch. Wir waren mittlerweile einige Tage zusammen unterwegs, Freundschaft hatten wir schon vom ersten Augenblick an geschlossen. Niv war der ruhigsten von allen, handelte am überlegtesten. Das Gehirn unter seinem Lockenschopf schien immer zu arbeiten. Dor war auch von sehr ernster Natur – nur wirkte es bei ihm erwachsener, strenger. Seine grünen Augen stachen zu jeder Tages- und Nachtzeit aus einem engen Wimpernkranz hervor. Er war es, der die meiste Zeit laut vorlas. Und das mit so einem Genuss, mit solch einer Gestik und fließenden Körperbewegungen, dass man meinen könnte, er dirigiere ein Orchester. Und obwohl wir kein Wort Hebräisch verstanden, saßen wir reglos da und lauschten dem Klang dieser fremden Sprache. Die anderen waren lebendige Zuhörer, gaben je nach Gefühlslage Geräusche von sich, wiederholten Sätze, lachten laut auf. Amir vor allem war ungehalten, sprang auf, schimpfte auf den Protagonisten des Buches, ging einmal im Kreis uns setzte sich wieder hin. Amir war sowieso voll Energie. Wenn er nicht gerade im Handstand neben dir herlief, sprang er mit den Jungs vom nächstgelegenen Dorf von einer Brücke ins Wasser oder war grantig, weil er Hunger hatte. Bei einem solchen Energieverbrauch, war es einsehbar, dass die drei ständig am Schnipseln, Braten, Kochen waren – und nebenbei noch durch Neuseeland reisten. Sie waren dermaßen temperamentvoll und gleichzeitig so hilfsbereit, dass ich wusste, mein nächstes Reiseziel würde Israel werden. Dieses Volk musste ich genauer unter die Lupe nehmen.

In Christchurch hatten Rani und ich endlich Glück: Wir fanden auf einem Automarkt einen Wagen für uns. Einen Ford, den wir Frederike tauften. Ab jetzt hieß es Rani, Luise und Frederike auf Neuseeland-Abenteuer-Tour.