Himmelsschauspiel

Der Truck hielt in einer kleinen Straßenbucht am State Highway 2, irgendwo zwischen Gisborne und Napier. Die Verabschiedung verlief höflich, wir holten unsere, mittlerweile eisgekühlten, Rucksäcke aus dem Laderaum und winkten dem Lastzug erleichtert hinterher, als er sich ächzend wieder auf die Straße zog.

Von der Bucht führte ein Kiesweg weg, schlängelte sich zwischen zwei Seen hindurch und lockte viele Camper an. Man nickte uns scheu zu – den Neuen, die sich dazusiedeln würden.

Wir fanden unser Plätzchen auf der „Brücke“ zwischen den beiden Seen. Der größere von beiden lag vor unserem Zelteingang – nur ein paar Schritte über den Kiesweg entfernt. Den kleineren hörten wir nachts friedlich seine Wellen schlagen – er lag direkt hinter der Trauerweide, unter der unser Zelt stand.
Bald aber verwandelte sich das friedliche Geplätscher in aggressives Fauchen, vom Ostwind angepeitscht. Wir standen mitten im Durchzug, die aufgekommen Winde fegten von allen Richtungen über unser kleines Heim hinweg. Sie zwangen es zu Boden; lagen wir darin, mumifizierten uns die Planen. Wir banden die Stangen mit Schnüren an den Ästen der Weide fest. Aber die Wucht des Windes peitschte die biegsamen Zweige auf uns nieder, drückte das Zelt noch mehr zum Grund. Schließlich rissen sie unter dieser mächtigen Naturgewalt ab und sanken still neben unser Zelt.

Wir verlagerten unseren Standort und trugen das Zelt auf eine kleine Anhöhe, weiter den Kiesweg entlang. Dort standen wir geschützt unter starken Föhren und den Wind hörten wir nur noch als ein sanftes Säuseln. Als er sich nach zwei Nächten immer noch nicht gelegt hatte, beschlossen wir, das Schauspiel von oben zu beobachten. Wir kletterten über einen verfallenen Holzzaun und folgten den Bachlauf einer felsigen Riesenweide. Unten noch rannten Schafe panisch von uns davon, um uns dann aus sicherer Entfernung grasend zu beäugen. Weiter oben standen gelassen Kühe uns glotzten uns apathisch kauend an. Die nächste Weide hielt nichts als kahle Felsbrocken, dürres Gras und trockene Kuhfladen. Und eine atemberaubende Aussicht:

In einem Wechselspiel aus Licht und Schatten jagte der Wind Wolkenballen über das verlassene Land. Das Wasser der Seen spiegelte matt silbern den Kampf am Himmel wieder. In der Ferne verloren sich die rauen Hügel in unendliche Nebelwolken, während uns das kniehohe, gelbe Gras um die Beine peitschte und uns blutig schnitt. Mal rang sich die Sonne durch und ließ alles erstrahlen, warf detaillierte Schatten über die winzigen Hügel und spendete Wärme. Dann hetzte wieder ein dichter Bauschen vor das helle Auge und versetzte das ganze Land in Düsternis. Der Ausblick von dort oben, über Lake Tutira, die Hawks Bay im Rücken, den Blick landeinwärts, vereinigte alles, was Neuseeland zu bieten hatte: die ungestüme Willkür des Wetters, das darunter umso schöner wirkende Land, die Wucht, den Frieden.